Historischer Streifzug durch das Jerichower Land

Erste Siedlungsspuren aus der Eiszeit

Schon seit der Eiszeit ist das Gebiet des heutigen Landkreises Jerichower Land besiedelt. Das belegen zahlreiche Knochen-Funde aus den Kieslagerstätten und dem Elbe-Havel-Kanal sowie Steinwerkzeuge altsteinzeitlicher Jäger und Sammler, wie der Faustkeil von Gerwisch mit einem Alter von ca. 200 000 Jahren, die im Kreismuseum ausgestellt sind.

Auf der Suche nach jagdbaren Tieren durchstreiften verschiedene Jäger- und Sammlerhorden das Gebiet und legten auf den Schwemmsandkegeln und Dünen ihre Rastplätze an. Bekannte Fundstellen befinden sich z. B. im Fiener Bruch. Erst im 4. Jahrtausend v. Chr. kamen die ersten Ackerbauern ins Jerichower Land. Sie ließen sich in dem wasser- und waldreichen Gebiet zwischen Elbe, Fläming und Havel nieder. Aus dieser Zeit stammen die als Kollektivgräber angelegten Großsteingräber, wie das von Körbelitz. Weitere Grabfunde aus Wahlitz und Gerwisch belegen den Beginn der Bronzezeit etwa um 2000 v. Chr. Während der mittleren Bronzezeit wurde im Wald bei Großwulkow ein mehr als 100 Gräber umfassendes Hügelgräberfeld angelegt. Aus diesen Gräbern konnten Ende des 19. Jh. u. a. Bronzeschmuck und ein kostbares bronzenes Schwert geborgen werden. Ähnliche Funde gibt es erst wieder in Mecklenburg und der Lüneburger Heide. In der Folgezeit wurden auch vielerorts Urnengräberfelder angelegt.

Die ersten schriftlichen Nachrichten über das Gebiet finden sich in römischen Quellen des 1. Jahrhunderts. Damals lebten hier die elbgermanischen Stämme der Langobarden und Semnonen. Sie hinterließen zahlreiche Fundplätze, darunter mit mehreren hundert Urnen belegte Friedhöfe, z. B. bei Schermen. Eine Besonderheit stellt das erst 1990 entdeckte Fürstengrab von Gommern dar. Hier wurde im 4. Jh. ein germanischer Fürst mit seiner gesamten Ausrüstung, Goldschmuck und römischen Luxusgütern bestattet.

Slawen und Deutsche im Mittelalter

Im 7. und 8. Jahrhundert ließen sich schließlich slawische Stämme in unserem Gebiet nieder. Von ihrem Wirken sind noch einige bemerkenswerte Wallburgen erhalten, z. B. der Burgwall neben der Stadtkirche von Jerichow. Zahlreiche Ortsnamen weisen auf die slawischen Wurzeln hin. Anfang des 10. Jahrhunderts begann die deutsche Eroberung des Elbe-Havel-Landes durch den Sachsenkönig Heinrich I. und seinen Sohn Kaiser Otto I. Einige der ältesten Orte des Jerichower Landes werden in Urkunden dieser Zeit (z. B. Stiftungsurkunden der Bistümer in Havelberg und Brandenburg aus dem Jahr 948 und Schenkungsurkunden) erstmalig erwähnt. Dazu zählen auch Burg, Grabow, Schartau, Gommern, Tucheim oder Dretzel. Diese erste Eroberung wurde jedoch durch den Slawenaufstand von 983 zunächst gestoppt, so dass erst mit Beginn des 12. Jahrhunderts eine vollständige Unterwerfung, Christianisierung und allmähliche Assimilierung der slawischen Bevölkerung erfolgte. Damit beginnt die mittelalterliche Geschichte, auf die der heutige Name "Jerichower Land" zurückgeht. Der Ortsname Jerichow wird auf einen slawischen Personennamen zurückgeführt und hat nichts mit dem biblischen Ort Jericho zu tun.

Blüte der romanischen Baukunst

Einen wesentlichen Anteil an der Erschließung des Jerichower Landes hatten die Magdeburger Erzbischöfe und ihre Konkurrenten bei der Landnahme, die Markgrafen der Nordmark (heutige Altmark), unter ihnen Albrecht der Bär. Erzbischof Wichmann (1152-1192) ließ z. B. zahlreiche Siedler aus den norddeutschen Gebieten hier ansiedeln. Sie brachten nicht nur die norddeutsche Sprache, sondern auch wichtige Kenntnisse über den Deichbau mit.

Besondere Bedeutung kommt dabei den Prämonstratenser Chorherren zu, die in Leitzkau 1138 und in Jerichow 1144 Stifte gründeten. Da es im nördlichen Bereich nur geringe Natursteinvorkommen gab, wurden hier die ersten Backsteinbauwerke nördlich der Alpen errichtet, deren markantestes Beispiel die Klosterkirche von Jerichow ist. Sie wird noch heute als ein Meisterwerk der romanischen Architektur und Wiege des norddeutschen Backsteinbaus bewundert. Viele weitere Dorfkirchen der Umgebung wurden im Stil der Romanik errichtet. Der Einfluss des damaligen Prämonstratenserklosters war so bedeutend, dass der Ort Jerichow spätestens mit dem Vertrag zu Zinna 1449 namengebend für das gesamte östlich der Elbe gelegene Gebiet der Magdeburger Erzbischöfe wurde. Zur bedeutendsten Stadt der Region entwickelte sich Burg, das im Mittelalter durch sein Tuchmacherhandwerk großes Ansehen gewann. Obwohl bereits 1524 die Stadt Magdeburg die Reformation durchsetzte, wechselte das gesamte magdeburgische Gebiet erst um 1552 die Konfession. 1538 wurde in Genthin der erste lutherische Prediger berufen. In Burg fand der erste evangelische Gottesdienst im Jahr 1542 statt. So manche kunstvoll ausgemalte Kirche wurde damals weiß getüncht. Erst in den vergangenen Jahrzehnten ist es hier und da geglückt, einige kostbare Wandgemälde zu restaurieren, wie z. B. Hohenseeden.

Von Besitzansprüchen der Brandenburger Kurfüsten und etlichen Übergriffen märkischer Raubritter abgesehen, litt das Territorium insbesondere unter den Plünderungen und Verwüstungen des 30jährigen Krieges (1618 bis 1648) und unter der Pest, die in den Jahren 1639 und 1682/83 besonders viele Opfer forderte.

Aufschwung unter Brandenburg-Preußen

Als das Jerichower Land zusammen mit dem ehemaligen Erzbistum Magdeburg 1680 an das Kurfüstentum Brandenburg fiel, waren viele Landesteile geplündert, verwüstet und menschenleer. Die Stadt Burg selbst wurde erst 1687 brandenburgisch. Unter der Herrschaft des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620-1688) setzte eine umfassende Neustrukturierung der Verwaltung und ein deutlicher wirtschaftlicher Aufschwung ein. Die Einteilung in die Kreise Jerichow I und Jerichow II im neugeschaffenen Herzogtum Magdeburg und die Ansiedlung von Hugenotten, Pfälzern und Waldensern in Burg gehen z. B. auf ihn zurück. Weitsichtige Politik kennzeichnete auch seine Nachfolger. Unter ihnen hat sich Friedrich II. (1712-1786) um das Jerichower Land besonders verdient gemacht. In seine Regierungszeit fallen der Bau des Elbe-Havel-Kanals (1745) und die erste Melioration des Fiener Bruchs (1777-1785). Auch ließ er in Burg die erste preußische Kaserne errichten und führte zwischen Pietzpuhl und Körbelitz Truppenschauen durch.

Nach dem Sieg Napoleons über das Königreich Preußen 1806 und der französischen Besetzung preußischer Gebiete wurde das seit 1680 bestehende Herzogtum Magdeburg aufgelöst. Alle linkselbischen Gebiete, die Magdeburger Vororte Cracau und Prester, sowie die kursächsischen Besitzungen Gommern mit Elbenau und Ranies wurden dem Königreich Westfalen angegliedert. Das Jerichower Land kam für kurze Zeit zur Mark Brandenburg. Mit den siegreichen Schlachten von 1813 gelang die Befreiung von der französischen Herrschaft. Ein wichtiges Gefecht fand im Frühjahr 1813 bei Möckern, Dannikow und Vehlitz statt.

Die 1816 erfolgte Gründung der preußischen Provinz Sachsen brachte dem Jerichower Land seine alte Verwaltungsstruktur mit den Kreisen Jerichow I, Jerichow II und Ziesar zurück. Neu dazu kamen die ehemaligen sächsischen und anhaltinischen Exklaven wie Gommern. 1826 wurde der Kreis Ziesar aufgelöst und dem Kreis Jerichow I angegliedert.

Verkehrswegebau und Industrialisierung

Das 19. Jahrhundert prägte das Jerichower Land mit wirtschaftlichem Aufschwung durch Industrieansiedlungen und Verkehrswegebau. Der Chausseebau, der Ausbau der Wasserwege mit dem Bau des Ihlekanals und der Eisenbahnlinie Berlin-Magdeburg (1846) sorgten so für eine gute Anbindung an die aufstrebenden Zentren Magdeburg und Berlin. Bald verloren die alten Handelsstraßen über Burg und Genthin nach Berlin oder von Magdeburg über Gommern, Leitzkau und Zerbst nach Leipzig ihre einstige Bedeutung. Baustoffe lieferten u.a. die Steinbrüche bei Gommern und die zahlreichen Tongruben mit bis zu 130 Ziegeleien in beiden Landkreisen. Ein weiterer umfangreicher Beschäftigungszweig bestand in der Schifffahrt. Allein zwei Drittel der um 1880 in der Schifffahrt des Regierungsbezirks Magdeburg Beschäftigten lebten im Jerichower Land. Die Stadt Burg entwickelte sich im 19. Jh. zu einer wichtigen Industriestadt. Hier existierten neben der Schuh- und Lederfabrikation auch Schwermaschinenbau und Textilindustrie. Genthin entwickelte sich als Verwaltungszentrum zu einer Beamten- und Schulstadt. Hier wurde 1891 ein königlich-preußisches Lehrerseminar eingerichtet. Am Kanal, in Stadtnähe, entstanden auch verschiedene Ziegeleien und Schiffswerften. Die übrige Region blieb eher landwirtschaftlich geprägt.

Zu den neuen Industriezweigen, die sich im 20. Jahrhundert im Jerichower Land ansiedelten, gehörten die 1902 erbaute Genthiner Zuckerfabrik, das Waschmittelwerk in Genthin (Baubeginn 1921), eine Zweigniederlassung des Henkelwerks in Düsseldorf, die erste deutsche Knäckefabrik in Burg oder Rüstungsbetriebe bei Güsen und Genthin. Seit den dreißiger Jahren führt die Autobahn durch den Landkreis und trägt wesentlich zur guten Verkehrsanbindung bis in die heutige Zeit bei.

Von 1945 bis 1989

Nach dem 2. Weltkrieg erfolgten mehrere Gebietsreformen. Teile fielen 1952 an die neugeschaffenen Kreise Havelberg, Rathenow, Brandenburg, Loburg und Zerbst. Übrig blieben als Kernstücke der beiden ehemaligen Jerichowschen Kreise die nach ihren Kreisstädten benannten Landkreise Burg und Genthin.

Mit der im Herbst 1945 in der sowjetischen Besatzungszone durchgeführten Bodenreform wurde die Jahrhunderte lang durch die Gutsherrschaft geprägte Agrarstruktur aufgelöst. Landbesitzer mit mehr als 100 ha großen Betrieben wurden enteignet. Der Landbesitz wurde an Kleinbauern und Landlose verteilt und die geräumten Gutshäuser dienten u. a. zur Unterbringung von Flüchtlingen. Damals setzte sich die Bevölkerung zu einem Drittel aus Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten zusammen. Überall im Jerichower Land entstanden auch kleinere Neubausiedlungen. Zunächst wurde das Land privat bewirtschaftet. Seit den 1950er Jahren schlossen sich immer mehr Einzelbauern in landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) zusammen. 1960 fand die Zwangskollektivierung ihren Abschluss. 1946 und in den Folgejahren wurden Großbetriebe, wie das Henkel-Werk und die Zuckerfabrik in Genthin, das Walzwerk und die Schuhfabrik C. Tack & Cie. in Burg in Volkseigentum (VEB) überführt. Viele klein- und mittelständische Unternehmen wurden ab 1956 zu Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH) umgewandelt.

Das Wirtschaftsprofil der beiden Kreise wurde entscheidend vom Maschinenbau, Walzwerk, Waschmittelwerk, Schiffsbau, von der Schuhproduktion und der Bekleidungsindustrie sowie durch die Bauwirtschaft geprägt.

Nach der Wende

Mit der politischen Wende im Herbst 1989, der Währungsunion und dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland 1990 vollzog sich auch eine wirtschaftliche Umgestaltung und Neuorientierung. Einige der ehemaligen volkseigenen Betriebe konnten sich unter den neuen marktwirtschaftlichen Bedingungen nicht mehr bewähren, andere erlebten nach ihrer Privatisierung neuen Aufschwung und neue Betriebe ließen sich in den vielerorts angelegten Gewerbegebieten nieder.

1994 brachte die Kreisgebietsreform die Vereinigung der beiden Kreise Burg und Genthin zu dem Landkreis, der heute wieder den traditionsreichen Namen Jerichower Land führt. Die Kreisstadt ist Burg. 2005 und 2007 wurden mit Loburg und Leitzkau weitere ehemalige Orte in den Kreis eingegliedert.

Weiterführende Informationen bietet  das  Kreismuseum.